Packrafter auf einem Bach im verschneiten Hunsrück
Hunsrück

Hunsrück eiskalt

Von Sebastian, Gründer und Inhaber von LWA

Ein paar kurze Worte vorab.

Bei allem, was nachfolgend beschrieben wird, waren wir im regelmäßigen Austausch mit den TeilnehmerInnen über ihren Zustand, hatten Gesundheit und Wohlergehen aller ganz besonders engmaschig im Blick und waren jederzeit team-intern dafür offen, deutliche Anpassungen im Kursverlauf durchzuführen, wenn die Bedingungen in Kombination mit den persönlichen Grenzen der TeilnehmerInnen dies erforderlich gemacht hätten.
Einer Teilnehmerin haben wir auf ihren Wunsch hin ermöglicht, die kälteste der Nächte in einem beheizten Raum zu verbringen und trotzdem die Tour als gesamtes mit zu machen.

Die beschriebenen Witterungsbedingungen waren selbst im Rahmen der bisher fast 10-jährigen Durchführung dieses Kurses Multiday Packrafting Hunsrück-Tour bis dato einmalig und der zeitlichen Überschneidung des Kurszeitraumes mit dem Durchzug eines außergewöhnlich kalten Tiefdruckgebietes geschuldet. Fast schon sommerlich, wie von Johannes vor einigen Jahren beschrieben, kann es auf einer Hunsrück-Tour aber auch sein.

Und es fiel Schnee…

Fast 10 Jahre sind vergangen seit dem ersten Mal, dass sich Menschen im LWA-Rahmen hier getroffen haben, der ersten Hunsrück Tour. Sie ist gewachsen zum Multiday-Packrafting Kurs mit Expeditionsfeeling, hat sich verändert, war und ist Quelle spannender Lagerfeuergeschichten, und hat in vielen Menschen die Leidenschaft für Outdoor und Packrafting entfacht. Sven von Anfibio Packrafting hat sie, die Hunsrück-Tour, einmal legendär genannt, und unsere TeilnehmerInnen haben diesen Kurs schon in den buntesten Farben beschrieben. Wie auch immer man sie beschreibt: Sie hat, wie sich zeigen soll, noch immer das Potential, uns zu überraschen.

Einen Abend und eine Nacht später, während ich am Morgen meine kalten, steifen Neoprenschuhe überziehe, bin ich mir selbst nicht mehr sicher, ob wir uns hier noch im Rahmen dessen bewegen, was ein solcher Kurs soll und darf.

LWA Gründer Sebastian Schmidt © Land Water AdventuresÜber den Autor:


Sebastian, Gründer und Inhaber von Land Water Adventures, und im Grunde zufrieden, solange es Wasser auf dem Bach, genug Schokolade und nette Leute um ihn herum gibt. Mehr über Sebastian gibt es auch hier.

Vor wenigen Minuten habe ich die Schneedecke, vor dem Öffnen der Apsis, von innen vom Zelt geschüttelt. Während ich hinausschaue, sehe ich einen schwarz-gelben Schatten vorbeihuschen: Eine Teilnehmerin auf dem Weg, den jeder mal gehen muss, und die ihren Trockenanzug gestern Abend wohl nach dem Ausstieg aus dem Fluss gar nicht mehr ausgezogen hat. Und ich wälze die Frage, ob wir weitermachen sollen.

Aber fangen wir einen Tag vorher, auf der grünen Wiese an.

Wie immer am Donnerstag zum Kursstart und wie immer am späten Vormittag kommen sie zur Wiese am Ufer der Nahe, um vier Tage gemeinsam das Abenteuer autarkes Packrafting zu erleben. Es sind ein paar bekannte Gesichter dabei, die wir und die sich untereinander gleich umarmen, und es sind neue Gesichter dabei, die wir nach nur vier Tagen wieder einmal mit Wehmut verabschieden werden. Und schon ein paar Stunden später, am Lagerfeuer des ersten Abends, liegt für uns alle in der Luft, dass hier etwas Außergewöhnliches auf uns wartet.

Die Stimmung jedenfalls ist gut am ersten Abend, noch am Campingplatz Nahemühle, trotz Kühle, trotz Regen und trotz der Ankündigung von tieferen Temperaturen für die nächsten Tage. Wir starten also am Freitagmorgen regulär, mit dem frühen Transfer, mitten in den Hunsrück hinein, und es ist so etwas wie eine konzentrierte Vorfreude zu spüren.

Bei aller Vorbereitung und aller Erfahrung bleibt eine Wetterprognose jedoch auch für mich etwas Abstraktes. So auch diese für Anfang April 2022. Spätestens aber, als mitten im abgelegensten Teil des Hahnenbachtals die sowieso schon niedrige Temperatur innerhalb von kurzer Zeit um weitere 2 Grad sinkt, und dichtes Schneegestöber beginnt, ist sie voll da: Die Realität dessen, was vorher in den Zeitungen “Wintertief” genannt wurde.

Aber es ist erst das Bild von eisig überzogenen Zelten vom Vorabend, zusammen mit der Schneedecke vor mir an diesem Morgen – unter der die Boote als weiße Formen verschwinden – garniert mit persönlichen Erfahrungen unter solchen Bedingungen, welches mich, in meiner Apsis sitzend, nachdenken lässt, ob wir weitermachen sollen.

Denn bei solchen Bedingungen bleibt nichts und niemand wirklich warm und es ist ein Test für den Kopf, mehr noch als für den Körper, dennoch motiviert weiter zu gehen. Ist jeder von den Menschen in dieser Gruppe, für die wir verantwortlich sind, dafür bereit?

Gesellige Gemütlichkeit am Abend, während der blaue Alligator schon langsam von Schnee bedeckt wird

Als ich dann selbst aus meinem Zelt steige, an diesem Samstagmorgen, dauert es erstaunlicherweise nur einige Minuten bis ich eine klare Entscheidung spüre, und nur etwas länger bis ich sie treffe. Am Ende war es nicht wichtig, ob jeder und jede einzelne für sich genommen bereit gewesen wäre, dieses Abenteuer weiter zu gehen – sondern ob die Gruppe als Gemeinschaft bereit war. Und wie sie das war! Ein Lagerfeuer brennt schon an diesem Morgen im Schnee, es wird gelacht und es werden Fotos vom weißen Camp gemacht und im Laufe des Morgens wurden auch die, die nicht gut geschlafen haben, mitgenommen von der Stimmung dieser Gruppe. Die Frage, ob wir weiter gehen sollen, kam nie auf.

Es ist eines der schönsten Privilegien als Guide, dabei sein zu dürfen, wenn aus fremden Menschen ein Team wird. Und dieses Mal ist dieses Gefühl besonders stark: Egal, wie oft auf dem nächsten Flussabschnitt die Boote mit Gepäck eine Böschung hoch- oder herunter gehoben werden müssen, egal wie viele Baumstämme wir überwinden und egal wie häufig jemand Hilfe braucht – sie ist immer da. Und auch nach mehr als 20 Kilometern auf Land und Wasser, im Schneegestöber und im Fluss stehend, ist schnell eine Hand da, die anpackt. Und wenn es gerade nichts zu bewältigen gibt, bietet jemand Schokolade an und verteilt freundliche Worte. Das, mehr als alles andere, hat uns bei dieser Tour sehr beeindruckt und Stolz auf jede einzelne Person dieser Gruppe hinterlassen.

There will be sunshine after snow

Ab dann, ab diesem Morgen des dritten Kurstages auf der Schmidtburg, wird aus Durchbeißen Freude und wir gehen mit immer mehr Lachen und einer gewissen Leichtigkeit weiter. Das Schneegestöber wird im Laufe des Vormittags weniger werden, manchmal deutet sich hinter noch dicker Bewölkung schon die Sonne an, wir haben den Fluss und einen Abend am Lagerfeuer vor uns – was soll uns da noch aufhalten?

Es gab in dieser besonderen Tour einige Momente, die das Surreale dieser Tage exemplarisch in Bilder packt, die uns lange in Erinnerung bleiben werden: Wilfried, im Schnee, kurz vor dem Wiedereinstieg in den Hahnenbach, der sagt, er sei kurz vorm Schwitzen. Und das genau so meint.

Den Moment am Tag vorher, ein paar hundert Meter vor der Schmidtburg, als das Schneegestöber so dicht ist dass mein eigentlich schwarzer BowBag für ein paar Minuten komplett weiß überzogen ist.

Besonders in Erinnerung bleibt das gelöste Lachen, zusammen mit den Geschichten und Gesprächen am warmen letzten Lagerfeuer des Kurses neben den Schlossmauern, nur 24 Stunden nach dem mühsam entfachten, nassen Feuer bei Schneefall. An das Gefühl, ein weiteres Mal Teil dieses ganz besonderen Moments sein zu dürfen, wenn Menschen über sich hinauswachsen, werde ich sicher noch oft denken.

Am Ende haben wir, zurück in Monzingen, alle ein wenig Sonnenbrand und können eigentlich kaum fassen, dass all das in so wenige Tage gepasst hat. Mit trocknenden Booten in der Sonne kommt die Frage auf, was wir mitnehmen, aus diesen vier Tagen? Mit den Worten eines Teilnehmers: „Dass viel mehr in jedem von uns steckt, als wir uns auf den ersten Blick vorstellen können“. Wir wissen alle, was er meint.

Lust auf die Herausforderung?: https://www.land-water-adventures.com/hunsrueck

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