Alpen in besonderen Zeiten – Freestyle Packrafting in Bayern und Tirol
2019: Ein kurzer Blick zurück
Manchmal muss man, um eine Geschichte ganz zu erzählen, ein Stück zurück gehen. Anfang Juli 2019 lagen außergewöhnliche Tirol-Kurse hinter uns – so dachten wir. Das darauf folgende Jahr, dieses 2020, das uns allen wohl lange in Erinnerung bleiben wird, sollte zeigen, dass bei der Außergewöhnlichkeit noch Luft nach oben war.
Bleiben wir noch einen Moment in 2019. Wir hatten in Tirol bei gefühltem Hochsommer im Juni 10 Tage knapp unter der Hochwassergrenze hinter uns. Auf Grund der späten Schneeschmelze waren das mit Abstand die bis dato spritzigsten, wuchtigsten und für unsere TeilnehmerInnen forderndsten Tirol-Kurse.
Es war dann schnell klar, dass wir das Datum 2020 etwas später legen wollten und so standen sie schnell fest: Tirol1-2020: Start am 11. Juni, Tirol2-2020: Start am 15. Juni, usw. Wie wichtig diese Zeitpunkte ein Jahr später werden sollten, war da noch überhaupt nicht abzusehen.
Spätes Frühjahr 2020: Planungen in unplanbaren Zeiten
Das Vorspulen zu April/Mai 2020 überspringt so einiges: Die Welt durchlebt den Beginn einer Pandemie, Europa seinen Lockdown und wir zu diesem Zeitpunkt die existentielle Frage nach der Zukunft von LWA. Als im Laufe des Monats Mai immer klarer wurde, dass wir wohl Ende Mai unsere Tageskurse durchführen und zwar nicht nach Österreich fahren, aber in Bayern paddeln dürfen, begannen wir, wieder aufzuleben. Und waren in den nächsten Wochen auf den entsprechenden Behördenseiten Dauergast.
In einem Kraftakt, der nur in solchen Zeiten funktioniert, haben Andi und ich die Telefone nicht mehr losgelassen und zwischen dem hohen Norden und dem Südwesten ist die Idee zum ersten und vielleicht einzigen Freestyle-Wildwasser-Packrafting-Kurs entstanden. Im Voralpenland, zwischen Kochelsee, Mittenwald und Garmisch, nördlich der plötzlich wieder relevanten Grenze, aber nah genug an ihr dran, um sofort mit Grenzöffnung übersetzen zu können ins neu-ferne Österreich.
Ich war dann knapp vor Beginn selbst noch einmal inkognito in Bayern, im Mai, um unser Puzzle zu vervollständigen. Dann stand unser Kurs. Oder zumindest standen genug Ideen zu Übernachtungen und Flüssen, mit denen wir flexibel genug reagieren konnten. Denn kein Campingplatz wollte uns buchen lassen, Bayern war zu dem Zeitpunkt noch sehr geschlossen.
Als ich, mit meinem Paddel in der Hand alleine auf der B2 von Mittenwald nach Scharnitz zum Einstieg gelaufen bin und auf dieser eigentlich stark frequentierten Straße die Vögel zwitschern und die Isar rauschen hören konnte, wurde mir die Außergewöhnlichkeit der Zeit noch einmal bewusst.
Ende Mai 2020: Wir machen es!
Und dann war es klar: Wir machen den (eigentlich) Tirol1-Kurs in Bayern, ohne fest zugesagte Campingplätze, ohne fixierbaren Kursablauf, aber mit viel Energie und Begeisterung. Es hat sich ein wenig angefühlt wie dieser berühmte Anfang, dem, wie Hermann Hesse so schön dichtete, ein Zauber inne wohnt.
Und unsere gebuchten TeilnehmerInnen? Da lag sie vor mir: Eine Liste von Leuten, die sich schon lange auf ein paar Tage Tirol gefreut hatten, teilweise schon seit Spätsommer 2019. Und als ich die ersten Zeilen der Mail zur Freestyle-Tour tippte kam schon etwas Aufregung auf: Können wir das machen? Sind sie dabei?
Ja, sind sie! Wie auch schon die Reaktionen auf die Absage von Hunsrück und Bayerwald zu Beginn der Pandemie haben uns auch diesmal wieder die Reaktionen auf eine Welle der Euphorie vor Start dieser Tour gehoben. Zwei kamen sogar extra noch kurzfristig dazu, mit O-Ton: „Freestyle mit Andi und dir: Das muss ich erleben!“.
Und diese Freude, diese Flexibilität der TeilnehmerInnen sollte bleiben – sie hat uns durch die Kurse getragen.
Es kamen dann noch lange Tage des Wartens, ob alles so bleibt wie geplant. Zwischenzeitlich wurde die ursprüngliche Beschränkung in Bayern von 5er Sport-Gruppen gelockert und es sah so aus, als könnten wir sogar als ganze Gruppe unterwegs sein.
10. Juni 2020: Ein kurzes Hallo in einer verregneten Nacht – es geht wirklich los
Und dann war es irgendwann der 10. Juni, mitten in der Nacht, im Stockdunkel eines verregneten Parkplatzes in Südbayern, als Andi nach etwas mehr als 900 km direkt neben mir parkt – ich war auch gerade erst angekommen – an seinem Bus die Scheibe herunterleiert, wir uns einen kurzen Fistbump unter guten Freunden ohne viele Worte geben, uns für den nächsten Morgen zum Kaffee verabreden und beide in die Kissen fallen.
Mit jedem Teilnehmer und jeder Teilnehmerin, die dann im Laufe des nächsten Tages ankamen, wurde realer, was wir hier machen und die ganze Konzentration der Planungsphase ging langsam in Freude über.
Und als wir dann am Abend, nach einem sonnigen Tag auf dem Wasser, dem Sonnenuntergang am See zuschauten, kam langsam das Gefühl, dass hier eine richtige und einmalige Reise begonnen hat.
Sie sollte besonders bleiben, zu einem gewissen Grad hat die Unplanbarkeit auch Freiheit bedeutet. Aber wie dieser erste Freestyle-Kurs bis zum 14. Juni weiterging, erzählen wir – oder die 8 positiv Verrückten, die sich mit uns darauf eingelassen haben – euch besser bei Gelegenheit am Lagerfeuer. Nur soviel: Die Tage waren spritzig und sonnig, die Abende gesellig, die Morgende gemütlich, der Kaffee und die Croissants gut, die Truppe einfach genial und diese besonderen Tage im Süden Deutschlands in dieser besonderen Zeit werden auch uns, Andi und mir, lange in Erinnerung bleiben.
Von einigen der TeilnehmerInnen hieß es nun Abschied nehmen, einige kamen noch mit zur nächsten Etappe. Denn unsere Reise ging weiter, es wartete eine Grenze auf uns.
14. Juni 2020 abends: Grenzgang und noch zwei Kurse in Tirol
Am 14. Juni abends dann über die Grenze nach Österreich zu fahren, hatte ungewöhnlich viel Gefühl von Abenteuer – in meiner Zeit als erwachsener Mensch kannte ich diese Grenze nur offen. Und dann waren wir in diesem noch leeren Land mit den wunderschönen Flüssen und Tälern, Bergen und dem leckeren Essen. Mit Kursbeginn von Tirol2 am 15. Juni war dann alles wie früher und doch vieles anders: Weniger Leute auf dem Fluss, die Campingwiese (fast immer) nur für uns und morgens hieß es nicht nur das Paddel, sondern auch die Maske nicht vergessen.
Wir haben den Lech hoch und runter befahren, einen Ausflug zur oberen Isar gemacht, in geselligen Runden zu Abend gegessen und am Campingplatz unter dem Pavillon bei „Gurktaler“ Geschichten erzählt.
Wie immer, eigentlich! In besonderen Zeiten.
Die improvisierte Tour hat uns so viel Spaß gemacht, dass aus Freestyle im Jahr 2020 nun der erste 4-tägige Wildwasser Packrafting Kurs Alpenvorland 2021 im südlichen Bayern entstanden ist.
Für Einsteiger und auch solche, die schon einmal mit uns gepaddelt sind, aber ein paar neue Flüsse kennen lernen wollen!